Der Turm von Winklern
Kärnten / Bez. Spittal a.d.Drau
Im Zentrum des kleinen Ortes Winklern, am Fuße des Großglockners, steht dessen Wahrzeichen, der frühgotische Mautturm. Ob er Teil einer größeren Burganlage war, oder nur ein freistehender Turm ist nicht ganz klar. Bis vor kurzem jedenfalls war er an drei Seiten von Gebäuden verbaut, die dann für den Neubau eines Altersheimes abgebrochen wurden. Die Bezeichnung als Mautturm ist neuzeitlich.
Der Turm, wie er sich heute präsentiert, ist stark geprägt von Um- und Zubauten des späten 19. Jahrhundert. Die Zeichnung des Kärntner Malers und Zeichners Markus Pernhart aus dem Jahr 1861 gibt Auskunft über das ursprüngliche Aussehen des Turmes. Die beiden obersten Geschosse wurden erst nach 1860 aufgesetzt, die großer spitzbogigen Fenster im 4. OG in die Zinnen des mittelalterlichen Turmes eingesetzt.
Der ursprüngliche Turm war also um etwa 10 Meter niederer als heute und auch das steile Dach ist eine Erfindung des ausgehenden 19.Jahrhunderts. Auf Pernhart's Zeichnung hatte der Turm noch ein einfaches Pultdach, das auf einer Seite auf der Oberkante der Zinnen auflag, also wohl nur ein Notdach war. Das Stadtwappen von Winklern zeigt den Turm in seiner ursprünglichen Form.
Meine Beschreibung beschränkt sich auf die mittelalterlichen Teile des Turmes, die neuzeitlichen Zubauten werden ignoriert. Die Beschreibung basiert auf Begehungen in den Jahren1998 und 2001, also vor dem Ausbau zum "Tauernwurm", und einer weiteren aus dem Jahr 2005, als die oberen Stockwerke wieder gefahrlos erreichbar waren.
Der ein leicht verzogenes Rechteck von nur 7 Meter Breite und etwa 9,5 Meter Länge bildende Turm steht auf leicht abfallendem Gelände, das keinerlei natürlichen Schutz bietet, mit seiner Schmalseite gegen das Tal gerichtet. Trotz der geringen Außenmaße bietet der Turm ausreichend Wohnfläche, weil die Wandstärke mit ca. 90 cm für ein Gebäude dieser Höhe relativ gering ist. Die Wandstärke nimmt nach oben hin nur geringfügig ab, wodurch sich eine einheitliche Nutzfläche von etwa 40 m2 pro Etage, also insgesamt 160 m2 auf 4 Etagen, ergibt.
Erdgeschoss: Die Eingangssituation im Erdgeschoss ist für einen Wehrbau völlig untypisch: an der bergseitigen Ecke liegt ein nicht versperrbares, rundbogiges Tor, das zu einem tonnengewölbten Gang entlang der bergseitigen Schmalseite des Turmes führt. Erst an dessen Ende liegt eine versperrbare, aus massiven Granitblöcken gebaute Rechtecktüre, die ins Innere des Turmes führt. Die vordere Hälfte des Ganges ist mit einem Tonnengewölbe geschlossen, die hintere mit einer einfachen Balkendecke.
Martin Bitschau erkannte darin Parallelen zu Bauernhäusern in Tirol und Vorarlberg, und schloss daraus, dass es sich dabei um ein Bauernhaus handelt, das im Rahmen eines Besitzerwechsels nachträglich um 2 Stockwerke aufgestockt wurde. (1)
Diese Theorie wird auch durch das Ergebnis der 2003 durchgeführten Dendrobeprobung unterstützt. (2) Die Untersuchung der Deckenbalken der beiden untersten Etagen ergab ein Fälldatum von Winter 1306/07. Das 2. OG dagegen wurde erst um 1320 aufgesetzt, das 3.OG mit der Fenstergruppe sogar erst 1326/27.
Einzige Fenteröffnung im Erdgeschoss sind zwei kleine Lichtschlitze an der Südseite.
1. Obergeschoss: Die ursprüngliche Zugang zum 1.Obergeschoss war eine aus großen Granitplatten geformte Rechtecktüre an der Westseite, die später zu einem Lichtschlitz vermauert wurde. Die Vermauerung zeigt ausgestrichene Fugen mit Kellenstrich, dürfte als noch mittelalterlich sein. Anscheinend wurde im Rahmen der Aufstockung um 1320 die bisher bestehende Türe im 1. OG vermauert und der Zugang in das neu errichtete 2. OG verlegt.
Die spärliche Belichtung des 1.OG erfolgte über zwei asymmetrisch gelegene Lichtschlitze unterschiedlicher Höhe an der Talseite und einen weiteren an der Ostseite. Der ursprüngliche Fußboden fehlt großteils, bestand aber aus einer über die Längsseite des Turmes gespannte Holzbalkendecke. Das bergseitige Ende des Turmes hatte in dieser Etage einen massiven Fußboden, der auf dem tonnengewölbten Gang im EG ruhte.
Das 2. Obergeschoss hatte seinen Zugang an der bergseitigen Schmalseite. 2001 führte noch eine klapprige Blocktreppe an der Außenseite empor, die der originalen Treppe sehr ähnlich sein dürfte. Die Türe ins 2.OG ist heute vermauert, und das Geschoss war 2001 nur von unten einsehbar, weil der Fußboden völlig verfallen war. Dieser war eine über die Schmalseite des Turmes gespannte Balkendecke, die trotz der geringen Spannweite von nur 5.5 Metern noch von einem über die Längsseite gespannten Unterzug unterstützt wurde. Das 2.OG zeigt heute an der Talseite zwei große rundbogige Fenster mit Sitznischen. Die Fensteröffnungen stammen in diesem Ausmaß aus dem späten 19. Jahrhundert, als zwei kleine Rechteckfenster wesentlich vergrößert wurden. Die Änderung im Mauerwerk ist außen deutlich erkennbar. Markus Pernhart, dessen Zeichnung allerdings in anderen Details eindeutige Fehler ausweist, zeigt hier zwei kleinere Fenster, die durch rechteckige Fensterläden verdeckt sind.
Das 3.Obergeschoss war das eigentliche Wohngeschoss des Turmes, dessen Binnenteilung an Hand der Fensteröffnung noch gut nachvollzeihbar ist, obwohl sämtliche Trennwände völlig verschwunden sind.
In der Südwestecke des etwa 5.3 x 7.7 Meter großes Raumes lag eine hölzerne Stube, im Ausmaß von etwa 4,0 x 5,5 Metern, die mit einem Kachelofen beheizt wurde. An der Talseite hat sich eine für die Belichtung von Stuben typische 4-teilige Fenstergruppe erhalten, bestehend aus 3 kleinen spitzbogigen Trichterfenstern und einem runden Trichterfenster mittig darüber.
Hinweise auf die Konstruktion der Blockwerkstube haben sich nicht erhalten, insbesondere sind weder Bohlennegative noch Mauerrücksprünge für Eckständer zu erkennen. Lediglich im Bereich jeder der vier Fensteröffnungen sind an der Innenseite im Mauerwerk die etwa 1 cm tiefen Abdrücke von senkrecht stehenden Brettern zu erkennen, die nur um etwa 1 cm breiter und 5 cm höher als die Innenseite der jeweiligen Fensteröffnung sind. Bei der mittleren Öffnung verläuft der Abdruck des Brettes von der Unterkante des Spitzbogenfenster bis zur Oberkante des darüber liegenden Rundfensters. Das könnte ein Hinweis auf eine bauzeitliche Versteifung der Bohlenkonstruktion zu werten sein, die aussen in Form von senkrechten Brettern über die waagrechten Bohlen der Stube genagelt wurden, weil die 52 cm hohe Fensteröffnung eine Bohle vollständig durchtrennte. Der heute sichtbare Abdruck entstand als die Bohlenstube von aussen bei der Errichtung des Mauerwerks eingemauert wurde. Das Fehlen von Mauerrücksprüngen für Eckständer deutet auf einen verkämmten Blockbau hin.
An der Westseite, direkt neben der Fenstergruppe liegt ein großes, offensichtlich rezentes Rechteckfenster, das ein älteres und kleineres Schiebeladenfenster ersetzt hat. In der 187 cm breiten und 50 cm tiefen Fensternische sind Mörtelnegative von senkrecht verlegten Holzbohlen zu erkennen. Ob das Schiebeladenfenster die originale Konstruktion um 1330 war, oder ob es im Spätmittelalter ein weiteres spitzbogiges Trichterfenster ersetzte, kann heute nicht mehr gesagt werden.
Neben dem Rechteckfenster und schon außerhalb der Stube liegt eine kleine, hochgelegene Rechtecköffnung in einer sich nach oben erweiternden Mauernische. Außen war 2001 noch unterhalb der Öffnung eine kleine Konsole zu erkennen, die wohl einen gemauerten Kamin getragen hat. Es dürfte sich dabei also um den Rauchabzug des Kachelofens handeln, dessen Lage sich dadurch bestimmen läßt. Beim Umbau zum Tauernwurm wurde die Konsole entfernt und die Öffnung nach unten zu einem Lichtschlitz erweitert, was die ursprüngliche Funktion stark verunklärt.
In der talseitigen Südwand liegt, von innen gesehen links neben der Fenstergruppe, ein einzelner, einfacher Lichtschlitz, der erforderlich war, weil die Holzwand der Stube etwa einen Meter von der Ostwand des Turmes entfernt stand und so einen Gang abtrennte, der separat belichtet werden musste.
An der Ostseite ist neben dem Lichtschlitz eine vermauerte Türe erkennbar, die wohl auf den umlaufenden Wehrgang, oder zu einem Abtritt führte. Die Vermauerung der Türe dürfte neuzeitich sein, sie wird innen von der obersten Putzschichte überdeckt.
Der Zugang vom 2.OG erfolgte über eine ca. 80 cm breite Treppe an der Nord-Ost-Ecke, wo das Balkenloch der für das Treppenauge notwendigen Auswechslung der Deckenbalken zu beobachten ist.
Die zweite, jedenfalls primäre Türe zum 3.OG lag an der bergseitigen Schmalseite, etwa einen halben Meter über dem Fußbodenniveau.
Der Fußboden war eine über die Schmalseite gespannte Balkendecke, die auf eingemauerten Riemlingen auflag. Der Fußbodenaufbau über der Balkenoberkante läßt sich noch mit etwa 30 cm Höhe messen. Der Fußboden war 1999 so brüchig, daß der Raum nicht betreten werden konnte, sondern nur von der bergseitigen Türe aus eingesehen werden konnte.
An der Außenseite des Turmes lassen sich noch Reste eines hölzernen Ganges auf Höhe des 3.OG erkennen. An den beiden Längsseiten und an der gegen den Hang gerichteten Nordseite sind auf Fußbodenhöhe abgesägte Balken eines Umganges zu sehen, darüber auf zwei Ebenen die Balken der Unter- und Oberkante des dazugehörigen Daches. Diese Spuren eines Wehrganges fehlen an der talseitigen Schmalseite, wohl mit Rücksicht auf die Fenstergruppe.
Den Abschluss des mittelalterlichen Turmes bildete eine Zinnenreihe, die bei der Aufstockung um 1865 vermauert wurde. An mehreren Stellen ist die Baufuge zwischen dem Mauerwerk des 14. Jahrhunderts (Kellenstrich) und dem kleinteiliigen Mauerwerk des 19. jahrhunderts deutlich zu sehen.
Quellen:
(1) Martin Bitschnau: Bauernhäuser und verwandte Bautypen des Mittelalters in Tirol und Vorarlberg, in: Kulturaustausch im ländlichen Hausbau. Hg: Arbeitskreis für Hausforschung e.V., Sobernheim 2003, 77-92
(2) Kurt Nicolussi: dendrochronologische Untersuchung, Mai 2003