Die Türmerstube im Bergfried von Freistadt
OÖ / Bez. Freistadt / Gem. Freistadt
Die ab 1363 erbaute Burg Freistadt nimmt die NO-Ecke der gleichnamingen Stadt ein.
Der mächtige Bergfried erhebt sich rechts neben dem der Stadt zugewandten Burgtor. Für ihn liegen Baurechnungen aus dem Jahr 1393 vor, die nachweisen, dass damals noch an ihm gebaut wurde. Er wurde immer wieder aufgestockt, der Umgang mit der Türmerstube und das oberste Geschoss wurden erst Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet.
Die Türmerstube im Bergfried von Freistadt liegt im obersten Stockwerk des etwa 40 Meter hohen Turms. Hier springt die Mauerstärke gegenüber den unteren Etagen auf der Außenseite um etwa 80 cm ein. Ein 90 cm breiter Umgang mit einer 40 cm breiten gemauerten Brüstung liegt zur Hälfte auf diesem Mauerabsatz, zur Hälfte auf auskragenden Werksteinkonsolen, die mit einfachen Stichkappen gekuppelt sind. Die Mauerstärke beträgt hier immer noch beeindruckende 193 cm.
Darüber erhebt sich ein steiles Walmdach mit jeweils einer gemauerten Gaupe pro Seite. Dieses Stockwerk ist (zumindest für gelegentliche Besucher wie mich) nicht zugänglich.
Der etwa 5,4 x 5,4 Meter große Raum bildet, so wie der gesamte Turm, ein leicht verzogenes Rechteck, mit Diagonalen von 7,2 und 7,6 Metern und wird durch eine mittig angebrachte, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Leichtbauwand in zwei etwa gleich große Teile geteilt. Ein aus 23 x 23 cm messenden Holzbalken geformter Rahmen wurde mit Ziegelsteinen ausgefacht und dann verputzt.
Der westliche Teil dürfte der eigentliche Wohnbereich gewesen sein, der östliche erfüllte Kommunikationszwecke.
Die steile Treppe mündet an der Süd-Seite In den östlichen Raum. Direkt über der Treppenöffnung liegt ein nach Süden orientiertes Rechteckfenster, das etwas aus der Turmmitte verschoben ist und so schon Bezug auf die Trennwand nimmt..
Eine als Schulterbogen ausgeführte Türe an der Ost-Seite führt auf den Wehrgang, der von Konsolen getragen etwa einen halben Meter auskragt. Da das gesamte Geschoss gegenüber den Bergfried um etwa einen halben Meter zurückversetzt ist, ergibt sich zusammen mit der 40 cm breiten, gemauerten Brüstung eine Breite des Umgangs von etwa 90 cm.
Daneben liegt in die Ecke verschoben und schräg durch die Wand verlaufend eine Nische für ein Fenster.
Neben der Trennwand zum Nebenraum wurde ein offenen Kamin angebracht, dessen Funkenhaube auf zwei steinernen Konsolen ruht. Ein weiterer Granitblock liegt quer über die beiden Konsolen, darauf wurde mit Ziegeln eine Funkenhaube aufgemauert und weiß verputzt. Der Rauchabzug führte dann in der hier immer noch 190 cm starken Außenmauer nach oben und müßte dann an der nördlichen (dem Burghof zugewandten) Traufseite in Form eines Kamins durch die Dachfläche geführt werden. Davon ist heute aber nichts mehr zu sehen, wahrscheinlich wurde der jetzt nicht mehr verwendete Kamin bei einer Sanierung abgetragen.
Die Verwendung eines offenen Kamins im späten 15. Jahrhundert ist völlig untypisch, hatte sich doch schon seit mehr als einem Jahrhundert der Kachelofen durchgesetzt. Warum hier auf die Vorzüge des Kachelofens (bessere Energieausbeute, kein Rauch, reduzierte Feuergefahr) verzichtet wurde, ist schwer zu verstehen. Möglicherweise führte doch eine heute nicht mehr vorhandene Feuerungsöffnung durch die Ziegelwand, um einen Kachelofen im Wohnraum von hinten beschicken zu können.
Direkt neben der Feuerstelle führt eine in den Fachwerkrahmen integrierte Türe mit einer etwa 20 cm hohen Schwelle in den westlichen Raum, der von 2 Fenstern in der Nord- und Ostseite belichtet wurde. Die raumhohen Fensternischen sind mit einem Stichbogen geschlossen, die Kanten mit Hausteingewänden aus Granit versehen. In der für das Spätmittelalter typischen Form greifen die Eckquader tief in das Mauerwerk und enden dort mit einer stark unregelmäßigen Rundung. An den Eckquadern sind, wie an allen anderen Hausteinen (Fenstergewände, Konsolen etc.), Zangenlöcher zu sehen. Der Raum ist heute weiß verputzt, wobei in typisch Mühlviertler Manier die Eckquaderung der Fensternischen ausgespart wurde.
An der der Stadt zugewandten Westseite führt eine gegenüber dem Fußboden um etwa 30 cm erhöht liegende Schulterbogentüre zu einem schräg in die Ecke führenden Gang, der in einem Abtritt endet. Ein kleines Rechteckfenstercher in Kopfhöhe sorgt für die nötige Belüftung
Der Schacht für die Fäkalien führt zunächst in der Mauerstärke senkrecht nach unten. Etwa auf Höhe der den Umgang tragenden Konsolen ist hier an der Außenseite eine rechteckige Nische mit einem leicht auskragenden, schräg nach unten abfallenden unterem Abschluss zu sehen. Ich befürchte, daß der senkrechte Schacht hier endete und die Fäkalien von hier im freien Fall knapp neben dem Burgtor in den Burggraben plumpsten.
In Summe ergibt die Türmerstube also eine mit rund 25 m2 Wohnfläche sehr beengte, aber doch mit allen zur Bewohnbarkeit erforderlichen Einrichtungen (Heizung, Kochstelle, Abtritt) ausgestattete Wohneinheit. Aus heutger Sicht unverständlich ist, warum man in dieser Höhe nicht auf die Mauerstärke von 190cm zu Gunsten einer erhöhten Wohnfläche verzichtet hat,