REIFENSTEIN bei PÖLS
Stmk / Bez. Judenburg / KG. Pöls
Reifenstein ist ein schönes Beispiel für eine Burg, die über Jahrhunderte hinweg ständig erweitert und ausgebaut wurde. Dadurch wurde aus einer ursprünglich kleinen Burg eine recht ansehnliche Festung. Im Gegensatz zu z.B. Schaunberg am Kamp wurden die zusätzlichen Gebäude nicht innerhalb der Ringmauer errichtet, sondern die auf einem steilen Felsen stehende Burg wurde um 1500 mit einem zusätzlichen Ring von Gebäuden umgeben, die daher sehr tief im Hang gegründet werden mussten.
Heute ist Reifenstein eine stark einsturzgefährdete Ruine, deren Betreten nicht ganz zu Unrecht untersagt ist. Meine Pläne und der Großteil der Fotos stammen aus den Jahren 1994 bis 2000, als die Ruine noch begehbar war.
Reifenstein liegt in nicht sehr begünstigter Lage am Nordabhang des Falkenberges. Etwa 100 Meter über dem Tal löst sich eine felsige Kuppe aus dem Hang, auf der um 1300 die erste Burganlage errichtet wurde. Die Felskuppe ist etwa 40 Meter lang und nur 10 Meter breit. Dadurch entstand unter Ausnützung des Geländes eine ebenso große, längsrechteckige Burg.
Diese hatte an der gefährdetsten Seite - im Süden, gegen den Berg hin gerichtet - einen viereckigen Bergfried mit leicht verzogenem Grundriss. Die schmälere Vorderseite ist etwa 8 Meter lang, die hintere der Burg zugewandte Seite etwa 10 Meter. Die Mauerstärke im untersten Geschoß beträgt etwa 2 Meter. In den beiden untersten Geschossen des Bergfrieds wurden sekundäre Tonnengewölbe eingebaut. Im Keller sind knapp unter dem Gewölbe noch die Balkenlöcher der alten Holzbalkendecke zu sehen.
Heute steht vom Bergfried nur noch ein hoher schlanker Mauerzahn der Südecke, an dessen Abbruchkanten man noch mehrere erstaunlich gut erhaltene, hölzerne Maueranker sehen kann. Das oberste Stockwerk war wahrscheinlich nachträglich aufgesetzt und hatte eine an der Aussenseite reduzierte Mauerstärke.
Hinter dem Bergfried erstreckte sich, nicht breiter als der Bergfried aber etwa 25 Meter lang, die eigentliche Burg. Zuerst folgte direkt hinter dem Bergfried ein kleiner Hof von etwa 8x8 Metern, danach der längsrechteckige Palas von etwa 8 x 16 Metern. Der Zugang lag im Nordwesten und führte direkt hinter dem Bergfried in den Hof.
Der erste größere Ausbau dürfte eine Vorburg gewesen sein, die südlich vor dem Bergfried errichtet wurde. Das erste Burgtor führte nun von Westen her in die Vorburg. Von dort führte der Burgweg unter dem Bergfried vorbei, dann gegen Norden in einen Zwinger entlang der östlichen Längsseite der Burg und von dort durch das alte Burgtor in den inneren Hof.
Einen kompletten Umbau erfuhr der Palas und der innere Burghof um das Jahr 1400.
Dabei wurde der Großteil der Wohnfläche im Erdgeschoß für eine Kapelle aufgegeben, die man nur als völlig überdimensioniert bezeichnen kann: Der 5/8 Chor, der noch großteils erhalten ist verstellt fast die gesamte Hoffläche und das Schiff, das jetzt fast völlig verschüttet ist und durch einen spitzbogigen Bogen vom Chor getrennt war, muß etwa die Hälfte der Erdgeschoßfläche des Palas eingenommen haben. Die Kapelle ist nicht nur im Grundriß, sondern auch in ihrer Höhe ein beeindruckendes Gebäude, denn die Höhe des Chores muß bei nur 5 Metern Länge fast 10 Meter betragen haben. Heute liegt der Schutt geschätzte 5 Meter hoch über dem Kapellenfußboden und man muß auf dem Bauch durch den spitzbogigen Chorbogen kriechen, der einst den Chor von Schiff trennte.
Das Kirchenschiff war wesentlich niederer und hatte ein Kreuzgratgewölbe mit 2 Jochen. Es belegte nur die halbe Breite des Palas, wodurch an der Ostseite Platz für einen Gang blieb, durch den man die hinteren Räume des Palas erreichen konnte.
Nördlich, hinter der Kapelle befand sich noch ein etwa 6 Meter langer Teil des Palas, über dessen Verwendung man kaum noch eine Aussage machen kann, weil er fast völlig zerstört ist. Nur tief unter dem Schuttniveau sind noch zwei tonnengewölbte Kellerräume erhalten - die man nur am Bauch kriechend erreichen kann. Das Tonnengewölbe ist sekundär und stammt aus der Spätgotik.
In den Zwickel zwischen Kapelle und Bergfried wurde ein winziges Gebäude von nur 2x4 Metern gestellt, das auf zwei Geschossen eine spitzbogige Tür zum Hof hatte. Pipers Behauptung, daß es sich dabei um den einzigen Zugang zum Bergfried handelt, kann man heute nicht mehr nachvollziehen.
Der Palas hatte über dem Kapellenschiff noch zwei volle Geschosse, die wohl Wohnzwecken gedient hatten. Im 1. Obergeschoss ist an der Westseite noch eine - später zu einem Fenster umgebaute - Abtritttüre mit einem einfachen Steinsturz zu sehen, im 2. Obergeschoss eine Spitzbogentüre mit Mittelschluss.
Wahrscheinlich im 15. Jahrhundert wurde an die talseitige Schmalseite des Palas eine Erweiterung angebaut. Sie steht auf einer Felsstufe etwa ein Stockwerk unter dem alten Palas und ist durch eine deutliche Baufuge als Anbau zu erkennen. Nahe der Baufuge hat sich im Anbau ein senkrechter mit Holz ausgefütterter Kanal erhalten, wahrscheinlich ein Abtrittschacht. Auch bei diesem Anbau ist die Nord-West-Ecke fast völlig verschwunden.
Die nächste Erweiterung der Burg fand ca. 1520 statt und hat die verbaute Fläche der Burg fast verdreifacht.
An die Vorburg wurde außen ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude angebaut. Da die Ringmauer hart am felsigen Abhang stand, reicht dieses Gebäude tief nach unten, weit unter das Niveau der Vorburg. Ich habe mich nur bis in das erste Kellergeschoß vorgewagt und von dort mit der Taschenlampe in das stockdunkle, verfallende Treppenhaus geleuchtet, das noch weit, weit nach unten führt. Platz wäre noch für mindestens ein, wahrscheinlich sogar zwei weitere Kellergeschosse.
An der Nord-Ostecke des Gebäudes befindet sich ein Raum mit einem hohen Pyramidenkamin und mindestens einem Ausgussstein, also wahrscheinlich eine Küche. Daran schließt sich ein weiterer tonnengewölbter Raum, der wahrscheinlich ebenfalls noch zur Küche gehört hat. Danach folgt das Treppenhaus in die unteren Kellerräume und zwei weitere tonnengewölbte Räume, jeder nur von einer Schießscharte erhellt, und wohl kaum bewohnbar.
Das gegen Westen gerichtete Tor der Vorburg ist heute fast völlig verschüttet. Nur ein kleines Stück eines Rundbogens ragt aus einem Schutthaufen der einmal der Torbau war.
Die bergseitige Mauer ist noch etwa 20 Meter länger als das Gebäude und endet in einem gewaltigen Eckrondell. Dieses hat etwa 10 Meter Innendurchmesser und eine Wandstärke von 180 cm.
Der Turm war als Schalenturm ausgeführt, also an der Innenseite offen, und hatte Laufgänge auf mehreren Etagen, mit Schießscharten für Feuerwaffen verschiedener Größe.
Wahrscheinlich waren nur die Wehrgänge nicht aber der Turm selbst mit einem Dach versehen .
Das Fundament des Rondell wurde nachträglich mit einem kegelstumpfförmigen Tallus verstärkt.
Vom Rondell aus zieht eine Wehrmauer von beachtlicher Höhe parallel zur Längsachse der Hauptburg talwärts .
Das Gelände fällt hier steil ab und die Ringmauer folgt diesem Gefälle. Dabei ist die Mauerkrone eine gerade abfallende Linie, der dazugehörige Wehrgang ist in mehrere kurze waagrechte Stücke aufgeteilt, die durch Treppen verbunden sind. Die Wandstärke der Ringmauer beträgt 170 cm und nimmt nach oben hin nicht ab, nur beim Wehrgang springt die Mauerstärke etwas ein.
Die Zinnen der Wehrmauer lagen unzugänglich über dem Dach des Wehrganges, dienten also nur zur Zier. Die Verteidigung erfolgte aus sich abwechselnden Schlüsselscharten und Schlitzscharten. Über dem Haupttor wurde die schräg nach oben verlaufende Zinnenreihe zu einer turmartigen Front aufgestockt.
Am Fuße der Ringmauer befindet sich eine kleine Anzahl von Scharten, die in tiefen Nischen liegen. Sie sollten den vor der Mauer liegenden Graben kontrollieren, während der höher liegende Wehrgang wohl gegen das Vorfeld jenseits des Grabens gerichtet war.
Sowohl am Batterieturm als auch an der Ringmauer sind über den Schlitzscharten noch Scharniere zu erkennen, an denen hölzerne Läden befestigt waren, die zum Schießen nach oben geklappt werden konnten.
Etwa in der Mitte des Mauerverlaufes der Wehrmauer ist von außen eine deutliche vertikale Baufuge zu sehen. Hier geht die Wehrmauer in die Außenseite eines länglichen Gebäudes mit Tonnengewölbe und seitlichen Stichkappen über. Während die Mauerflucht außen bündig weiterläuft, verspringt sie innen wegen der reduzierten Mauerstärke um fast einen Meter. Hier wollte man also nach außen hin den wehrhaften Schein wahren.
Das Gebäude wird allgemein als Stall bezeichnet. Es hatte eine Gesamtlänge von 30 Metern und ist jetzt zur Hälfte eingestürzt. Über dem Stall lag noch ein weiteres Geschoss, das wahrscheinlich bescheidenen Wohnzwecken gedient hat. Darüber setzte sich der Wehrgang bis an das talseitige Ende der Wehrmauer fort.
Ab dem Stall fällt die Oberkante der Wehrmauer nicht mehr parallel zum Gelände ab, sondern verläuft horizontal - und daher immer höher werdend - bis zum tiefsten Punkt des Geländes und von dort - ebenso horizontal und daher immer niederer werdend - wieder hinauf zum Palas. Die reduzierte Mauerstärke in diesem Bereich und die übermäßige Höhe führten auch prompt zum völligen Verfall dieses Mauerstücks. Auch der am tiefsten Geländepunkt stehende Rundturm ist akut einsturzgefährdet.
Außerhalb der Wehrmauer liegt ein breiter, wohl künstlicher Graben, dessen Außenseite senkrecht ausgemauert ist.
Zwei Zugänge führten auf hölzernen Brücken über diesen etwa 20 Meter breiten Graben in die Burg.
Der obere Zugang lag knapp unterhalb des großen Rondells, ca. 6 Meter hoch in der Ringmauer. Das Tor ist rundbogig und mit einem schönen Hausteingewände versehen. Erstaunlicherweise lassen sich an dem Tor keinerlei Verschlussmöglichkeiten erkennen. Die Brücke führte durch das Tor und, getragen von weiteren Pfeilern, in gut 6 Metern Höhe über den inneren Burggraben zum äußeren Tor der Vorburg. Dabei mußte die innere Brücke einen Linksknick machen und auch einen deutlichen Höhenunterschied überwinden.
Nun konnte man ja mit den Pferden schlecht 6 Meter tief von der Brücke in den Graben springen um sie in den Stall zu stellen. Daher gab es weiter unten, knapp neben dem Stall ein zweites kleineres Tor, diesmal etwa auf natürlichem Niveau.
Während das große Rondell gleichzeitig mit der Wehrmauer errichtet wurde, sind die beiden kleineren runden Ecktürme erst um 1530 nachträglich angebaut. Besonders schön zu sehen ist das im Bereich der Küche, wo zwei Fenster, die einst wohl ins Freie gingen, zu einem Zugang zum Turm umgebaut wurden. Der an diesen Rundturm anschliessende, tief in den Hang gestellte Osttrakt der Burg ist heute großteils verfallen. Er begleitete die gesamte Ostsseite der Burg, ist aber nur noch im Anschluss an die Ostturm in Teilen erhalten. Über die restliche Länge läßt er sich nur noch an Putzflächen, Balkenlöcher und sekundär ausgebrochene Türöffnungen an der Aussenseite des Palas nachzuweisen.
Ein weiterer wahrscheinlich zeitgleicher Halbrundturm wurde mittig an die Westseite der Hochburg angebaut.