Neu-Leonroth
Stmk / Bez. Voitsberg / Gem. St. Martin am Wöllmiß / Kleinwöllmiß
Als um 1300 der Weg über die Pack von der Teigitschklamm in das Gößnitzbachtal verlegt wurde, wurde die Burg Altleonroth aufgegeben und in der Nähe der Strasse eine neue Anlage errichtet. Die heute Neu-Leonroth genannte Burg besteht aus einer Anfang des 14. Jahrhundert errichteten Hauptburg und einer außergewöhnlich umfangreichen spätgotischen Vorburg.
Die Grundstruktur der Hauptburg besteht aus einem leicht verzogenem, länglichen Rechteck von 50 x 18 Metern, an dessen beiden Schmalseiten jeweils ein Wohntrakt stand. Der dazwischen liegende längsrechteckige Hof wurde später durch an die Ringmauer angestellte Bauten immer weiter verkleinert.
Von den beiden ursprünglichen Wohnbauten ist der im Osten gelegen Tortrakt fast vollständig verfallen. In ihm befand sich das innere Burgtor, dem im 15. Jahrhundert eine schmale, steil ansteigende Torhalle mit einem Torturm vorgestellt wurde. Links hinter dem inneren Burgtor hat sich noch ein völlig verschütteter Raum erhalten, der in den letzten Jahren durch ein nicht sehr professionell wirkende Grabung teilweise freigelegt wurde.
Vischers Zeichnung von 1680 zeigt an dieser Stelle einen querrechteckigen, 2-stöckigen Bau mit einem wuchtigen Walmdach.
Der an der Westseite des Hofs liegende Wohntrakt dürfte das eigentliche Wohngebäude der Burg gewesen sein. Die Breite der gegen den Hof gerichteten Ostseite lässt sich noch mit etwa 16 Metern rekonstruieren. Davon ist die südliche Hälfte 2 Stockwerke hoch erhalten. Die nördliche Hälfte ist völlig verschwunden.Die Tiefe des Gebäudes lässt sich kaum mehr feststellen. Etwa 15 Meter hinter der Hofseite sind jedoch noch geringe Reste eines leicht schräg verlaufenden Mauerzuges zu finden.
Erstaunlich ist der Umstand, daß der Wohnbau an der am stärksten gefährdeten Stelle der Burg liegt. Dort ist er durch einen tiefen aus dem Felsen gehauenen Halsgraben geschützt, der eine etwa 20 x 20 Meter große Fläche aus dem Gelände ausondert. Jedoch fehlen an dieser exponierten Stelle die aufwändigen spätgotischen Befestigungen bestehend aus Ringmauer und Halbrundtürmen, wie man sie an der eigentlich hinter der Burg liegenden "Vorburg " findet.
Die durch den Halsgraben abgetrennte Fläche wäre ideal für einen isoliert stehenden Bergfried geeignet, wie man ihn bei gotischen Burgen häufig ( z.B. Prandegg, Wachsenberg ), bei früheren Burgen seltener ( Kirchschlag am Wechsel, Offenburg ) findet. Der Felsen wirkt in diesem bereich zwar geglättet, es lassen sich dort aber keinerlei Spuren für einen Turm finden.
Obwohl vom westlichen Wohntrakt nur noch die Hälfte der hofseitigen Wand erhalten ist, läßt sich die Grundstruktur noch gut erfassen.
Der Eingang lag etwa in der Mitte der Hofseite. Der Felsen fällt links davon ( alle folgenden Richtungsbezeichnungen beziehen sich auf die Innenseite der Wand, wie sie auf der Zeichnung dargestellt ist) stark ab, wodurch sich hier noch ein volles Kellergeschoß ergibt, das noch an einem Lichtschlitz erkennbar ist.
Vom Hof führte eine Treppe dieser Geländestufe folgend zum Eingang hinauf .
Die Eingangssituation bildet also einen interessanten Kompromiss zwischen dem sicheren aber unbequemen Hocheinstieg des Hochmittelalter und dem unsicheren aber bequemen erdgeschossigem Tor eines Schlossbaues.(vgl. Kaisersberg)
Hinter der Eingangstüre ist heute noch das Tonnengewölbe eines aus dem Felsen gehauenen Kellers zu sehen, dessen Scheitel deutlich höher als die Schwelle der Eingangstüre liegt. Es muss also knapp hinter dem Eingang ein Niveausprung gewesen sein, der auch an den unterschiedlichen Höhen der beiden Fenster im Erdgeschoß zu erkennen ist.
An der Außenseite des rechten, höher gelegene Fenster hat sich eine breite rechteckige Fasche erhalten. Hier ist zu erkennen, daß solche Putzfaschen zuerst großflächig auf der bereits grob verputzen Wand aufgebracht und danach mit einem scharfen Messer auf die Rechteckform beschnitten wurden. Folglich läßt sich daraus rekonstruieren, daß in dieser ersten Bauphase das gesamte Gebäude grob verputzt und die aus Bruchstein gemauerten Fenster- und Türöffnungen mit einfachen Putzfaschen versehen waren.
Das ursprünglich gegen den Hof gerichtete Fenster wurde später durch den sekundären Anbau der Burgkapelle in seiner Funktion verändert. Wahrscheinlich wurde die Fensteröffnung auch abgetieft und dadurch zu einer Türe erweitert, durch die man die Kapelle direkt vom Wohntrakt aus betreten konnte.
Als weitere Öffnungen im Erdgeschoß lassen sich noch ein links neben dem Eingang gelegener, einfacher Lichtschlitz erkennen, und ein zweiter Lichtschlitz an der gegen die Schlucht gelegenen Südseite.
Das Erdgeschoß dürfte also ein eher spärlich beleuchteter Raum gewesen sein, der den Zugang zum darüber liegenden Wohngeschoss und den auf Halbstöcken versetzten Kellerräumen gewährleistete.
Links neben dem Eingang ist im Innenputz der Ansatz einer nicht verzahnten Quermauer zu sehen, die bis in das Obergeschoß reichte und daher den Wohnbau in zwei Hälften teilte. Unmittelbar hinter dem Eingangstor führte eine Türe durch diese heute völlig verschwundene Quermauer in den linken Teil des Erdgeschosses.
Die Quermauer war tragend, wie man an den Resten der Balkendecke erkennen kann: Der rechte Raum hatte eine Balkendecke die parallel zur hofseitigen Wand gespannt war und auf der Quermauer und einem Rücksprung in der Ringmauer auflag. Im linken Raum war die Balkendecke um 90 Grad gedreht, wie man an den Balkenlöchern in der hofseitigen Wand erkennen kann.
Im ersten Obergeschoss sind in der Flucht der Querwand zwei aus der Mauerfläche ragende Steine zu sehen, die wohl zur Fixierung der stumpf angestellten Querwand dienen sollten.
Das 1. Obergeschoss war der eigentliche Wohnbereich. Er war mit rechteckigen vergitterten Fenstern versehen, die in tiefen Fensternischen mit seitlichen Sitzbänken lagen. Davon hat sich eines vollständig erhalten, ein zweites ist beim Einsturz der hofseitigen Wand mitten durchgerissen. Ein drittes Fenster läßt sich an der Süd-Seite in Richtung der Schlucht nachweisen.
Interessant ist das Konstruktionsprinzip der Fenster. Die rundbogig geschlossenen Fensternische wurde durch die gesamte Mauerstärke gemauert und erst dann durch eine Mauer geschlossen, die das eigentliche Rechteckfenster enthielt. Die ungewöhnliche rundum laufende Baufuge ist auch heute noch von außen deutlich zu sehen.
Das erhaltene Fenster wurde bei einem Umbau des späten 15. Jahrhundert, bei dem die Kapelle mit einem Stockwerk überbaut wurde, zugestellt. Um trotz der auf das Fenster treffenden Quermauer noch Licht in das Fenster fallen zu lassen, endete die Quermauer hier mit einem Schwippbogen.
Im Erdgeschoss ist die Hofseite des Wohnbaus mit einer deutlichen Baufuge an die Ringmauer angestellt, während im ersten Obergeschoss Hofseite und Ringmauer (talseitige Mauer) verzahnt sind. Es scheint also, daß im Bauablauf zuerst die gesamte Ringmauer errichtet wurde und erst dann der Wohnbau in die Westecke eingestellt wurde. Das erste Obergeschoss dagegen ist ein einheitlicher Bau, bei dem die Ringmauer um ein Stockwerk aufgestockt wurde.
Der Kapellentrakt:
Die in Richtung des Steilabfalls zur Gößnitz gelegene Südseite des Hofes wurde ab dem 14. Jahrhundert in mehreren Bauetappen durch an die Ringmauer angestellte Gebäude völlig verbaut.
Der erste Zubau war die der Hl. Katharina geweihte Burgkapelle, die auf einer gegenüber dem Hof um ein Stockwerk erhöhten Felskante steht.
Da die Kapelle im Zwickel zwischen Ringmauer und Wohntrakt steht, mußten nur die gegen den Hof gerichtete Nordseite und der 5/8 Chor errichtet werden. Die westliche Schmalseite wurde mit einer Baufuge an den Wohnbau angestellt. Hinter dem Mauerwerk der Kapelle sind noch Reste des ehemaligen Aussenputzes des Wohnbaus und dessen roter Färbelung zu erkennen, ein eindeutiger Hinweis auf die sekundäre Errichtung der Kapelle.
Die Kapelle misst etwa 8 x 4 Meter und hatte ein 2-jochiges Gewölbe und einen nicht eingezogenen 5/8 Schluss. Ein hohes Fenster mit einem - für eine Kapelle ungewöhnlichem - stichbogigem Schluss hat sich im Bereich des Chors erhalten. Dort lassen zwei 4-eckige Löcher auf einen außen angeschlagenen Fensterladen schliessen.
Weitere Fenster sind nicht nachweisbar, weil die Südseite und der Chor bis unterhalb der Brüstungshöhe verfallen sind. Jedoch sind Fenster an der Südseite unwahrscheinlich, da diese von der älteren über einen Meter starken Ringmauer gebildet wurde. Durchaus denkbar und logisch wäre jedoch ein weiteres Fenster in der Ostseite des Chors.
Die Kapelle hatte zwei Eingänge: Der neben dem Eingang in den Wohnbau gelegen Zugang führte von außen in die Kapelle. Im Gegensatz zum Burgtor hatte er ein Hausteingewände das jedoch heraufgerissen wurde. Der oben erwähnte Umbau eines durch den Kapellenanbau verstellten Fensters erlaubte den Zugang direkt vom Wohnbau aus.
Als Joseph Scheiger 1867 die Burgruine besuchte, sah er noch "Spuren von (später überweißten) Fresken".
Gotische Erweiterung: (hellgrün )
Östlich der Kapelle wurde in deren Flucht ein weiterer Wohnbau errichtet, dessen Erdgeschoss zum großen Teil aus dem Felsen gehauen wurde und wohl Lagerzwecken diente. Der tonnengewölbte Raum hatte eine Türe vom Hof und zwei kleine rechteckige Fenster. Joseph Scheiger sah hier anno 1867 noch ein "gedrücktes Spitzbogenthor.. die einzige noch erhaltene Spur von behauenen Steinen". Die beiden neben der Türe gelegenen, runden Löcher die unlängst mit Bruchsteinen verfüllt wurden, sind keine Fensteröffnungen sondern ein typisches Schadensbild bei tonnengewölbten Räumen: Das Schmelz- und Regenwasser läuft in den Gewölbezwickeln zusammen und sucht sich am tiefsten Punkt den Weg ins Freie.
Darüber lag ein einfacher Wohnraum, der mit einem Tonnengewölbe mit Stichkappen abgeschlossen war. Durch diesen Anbau wurde der Chor der Kapelle und das vermutete östliche Chorfenster zugebaut. Deutlich zu erkennen ist die grobe Baufuge mit der der Zubau an die schräg nach innen weglaufende Chorwand angestellt ist.
Als Zugang diente eine hofseitig im ersten Obergeschoss gelegene Türe, die über einen an der Fassade entlanglaufenden, hölzernen Gang erreicht wurde. Davon haben sich noch die Balkenlöcher der tragenden Balken und der darunter liegenden Streben, sowie der Abdruck des hölzernen Bodens im Verputz erhalten. Der Gang endete auf der gegenüber dem Hof erhöht liegenden Felskante über die der Zutritt zur Kapelle und dem Wohntrakt erfolgte.
Das Gebäude stößt im Osten an einen älteren, quadratischen Bau, dessen gequaderte Kante im Erdgeschoss noch deutlich zu sehen ist
In einer dritten Bauphase wurden die Kapelle und der Anbau mit einem weiteren Geschoss überbaut, vom dem sich nur noch 3 schmale Mauerzähne erhalten haben.
In diesem Bereich fällt im Mauerwerk die Beimengung von Ziegelsteinen auf. Auch die Fenstergewände sind hier im Gegensatz zu den früheren Bauphasen aus Ziegeln gemauert. Weiters fehlt in diesem Stockwerk die Baufuge zwischen Kapelle und Anbau, sowie die schräg nach innen verlaufende Chormauer. Auch ist bei den wenigen erhaltenen Mauerstücken eine deutliche horizontale Baufuge zum darunter liegenden Stockwerk zu sehen.
Der kleine Rest eines erhaltenen Fenstergewändes zeigt hohe Qualität: Das aus Ziegel gemauerte, rechteckige Fenster war mit einer rot-weiß gerauteten Putzfasche versehen. Eine eiserne Angel deutet auf einen außen angeschlagenen Fensterladen hin .
Die Putzfasche wurde später mit mehreren farblosen Putzschichten überdeckt.
Im Bereich unterhalb der Kapelle wurde eine kreisrunde Zisterne von etwa 3 Metern Durchmesser und 9 Metern Tiefe aus dem Felsen geschlagen. Sie ist zum Teil mit einem Tonnengewölbe überdeckt, das sowohl vor Verschmutzung schützen sollte als auch den sehr beengten Bereich vor dem Kapelleneingang vergrößerte.
Auf der gegenüberliegenden Hofseite wurde an die nördliche Ringmauer ein schmales Treppenhaus angebaut, das wohl nur zur Erschließung des heute fast völlig verfallenen, über dem inneren Burgtor gelegenen Tortraktes gedient haben kann und daher noch Rückschlüsse über dessen Höhe zuläßt.
Auch hier mußte nur ein 9 Meter langes Mauerstück in die bereits bestehende, aus Ringmauer und Tortrakt bestehende Innenecke gestellt werden. Nach dem völligen Verfall dieser älteren Bauten stehen die Reste des Treppenhauses heute etwas verloren in der Gegend herum.
An der dem Hof abgewandten Nordseite ist der Treppenlauf und die entsprechenden höhenversetzten Fenster noch deutlich zu erkennen. Der Zugang erfolgte über eine Rechtecktüre an der Westecke, der Bereich unterhalb des Treppenlaufs war über einen großen nicht verschließbaren Rundbogen erreichbar.
Die östlich der Hochburg gelegene Vorburg lag damit eigentlich hinter der Burg. Der Zugang erfolgte vom Westen her, unter Umgehung der beiden vorgelagerten tiefen Halsgräben und führte an der Hochburg vorbei zu einer äußeren Toranlage die aus einem Fahrtor und einem darüber im Steilhang liegenden, nur für Fußgänger begehbaren kleineren Manntor bestand.
Flankiert wurde das Tor von einem Halbrundturm der auf mehreren Ebenen für den Gebrauch von Feuerwaffen bestimmte Scharten aufweist.
Die dahinter liegende Vorburg umfaßte eine Fläche von etwa 90 x 25 Metern und diente wohl der Unterbringung von Wirtschaftsgebäuden, von denen sich auch noch geringe Reste erhalten haben. Die vor allen an der Nordseite in voller Höhe erhaltene Ringmauer wird durch zwei weitere Halbrundtürme flankiert. Im Norden wird die Ringmauer von einem vorgelagerten Graben mit Conterescarpe begleitet, an der Südseite war dies wegen des Steilabfalls weder möglich noch notwendig.
Hinter dem äußeren Burgtor verlief der Weg in einer 180-Grad-kurve zur Hochburg hinauf. Das letzte Stück des Weges wurde in einer spätgotischen Torrampe geführt, an deren Anfang ein kleiner quadratischer Turm stand. Unterhalb der steilen Rampe lag ein tonnengewölbter Raum, der über ein im Fußboden eingelassenes " Angstloch" zugänglich war. Mehrere Scharten an der Nordseite erlaubten die Kontrolle des Bereichs hinter dem äußeren Burgtor.
Eine Besonderheit dieser Torrampe ist das ungewöhnliche Mauerwerk aus schräg verlegten plattigen Steinen. Wahrscheinlich sollte damit über dem zerklüfteten Felsfundament eine horizontale Abgleichslage geschaffen werden, ab der dann auf herkömmliche Weise weitergemauert wurde.