RUINE   NEU-WAXENEGG
Stmk / Bez. Weiz / Naitsch

Rekonstruktionsversuch Wandabwicklung der Südwand Die beiden Burgen von Waxenegg auf einem historischen Foto

In Neu-Waxenegg hat sich der seltene Fall einer Burg erhalten, die um das Jahr 1300 in einem Zug errichtet, und danach kaum verändert wurde. An der Burg sind fast keine sekundären Veränderungen ( wie etwa auf der benachbarten Ober-Waxenegg) zu sehen,  Spätgotik und Renaissance sind spurlos an der Burg vorübergegangen.

Der Bau besteht aus zwei zeitgleich errichteten Teilen : Dem mindestens 4stöckigen Wohnturm von etwa 11x14,5 Metern und einem 3stöckigen Wohnbau von 17x14 Metern. Die beiden Teile sind durch einen schmalen Hof ( 3x10 Meter) miteinander verbunden, so daß der gesamte Bau ein längliches Rechteck von etwa 31x15 Meter formte.
Die Burg, die in vielen Beschreibungen als die kleinere und unwohnlichere der beiden Waxenegger Burgen beschrieben wird, ist genau das Gegenteil. Zum Zeitpunkt ihrer Errichtung war sie mit Sicherheit die moderne, bequemere und mit 650 m2 Nutzfläche ( ohne den Hof ) auch die größere der beiden Burgen.

Der Wohnturm :

Der Wohnturm wurde über rechteckigem Grundriss von etwa 11x14.5 Meter errichtet. Die Mauerstärke ist an jeder Seite unterschiedlich: an der feldseitigen, fensterlosen Westseite etwa 235 cm, an der Südseite etwa 200 cm, an der Hofseite nur 170 cm .
Die Geschoße waren durch Balkendecken getrennt, deren Richtung sich von Geschoss zu Geschoss ändert. Wenn die Balkendecke über die längere Gebäudeseite gespannt war, wurde sie durch einen hölzernen Unterzug gestützt. Es gibt keine Spuren von Gewölben,  weder primär noch sekundär.
Die gesamte Nutzfläche beträgt 314 m2 auf 4 Etagen.

Raum T1 : Kellergeschoss/ Erdgeschoss : 74 m2

 

Südwand des Wohnturms, EG und 1.OG

Sitznischenfenster im 1.OG

Südfassade des Wohnturms

 

Im Erdgeschoß lag ein nur von zwei hochgelegenen Lichtschlitzen beleuchteter Raum, der wohl als Keller verwendet wurde. Das Fußbodenniveau lässt sich nicht mehr nachvollziehen, da der Raum teilweise verschüttet ist. Die Geschosshöhe war aber mindestens 4 Meter, der erhaltene Lichtschlitz (T101) an der Südseite liegt knapp unter der Decke ( Parapethöhe mindestens 220cm ). Eine Seite eines weiteren Lichtschlitzes (T102) lässt sich noch an der verfallenen Nordseite erkennen .
Ob der Raum einen ebenerdigen Zugang vom Hof hatte oder nur vom 1.OG zugänglich war lässt sich nicht mehr sagen.
Die Decke war eine über die Schmalseite ( Länge 690 cm ) gespannte Balkendecke, die Balkenköpfe waren eingemauert.

Raum T2 : 1. Obergeschoss : 74 m2
Wahrscheinlich ein durchgehender Raum, der die gesamte Geschossfläche (7x11 Meter) einnahm. An der Südseite lag mittig ein noch erhaltenes frühgotisches Biforenfenster in einer Sitznische mit Giebelsturz. Die Bifore selbst ist noch teilweise erhalten, die Mittelsäule fehlt. Der Ansatz eines ähnlichen Fensters ist auf der verfallenen Nordseite zu erkennen, direkt dort wo die Mauer abgerissen ist.
Der Eingang zum Wohnturm lag wahrscheinlich in diesem Geschoss an der Ostseite, also in Richtung des kleinen Hofes. Die bergseitige Westseite hat - so wie in allen anderen Geschosse des Wohnturmes - keine Öffnungen .
Die Raumhöhe betrug ca. 4 Meter.

Raum T3 : 2 . Obergeschoss :
Im 2. Obergeschoss lässt sich die Raumeinteilung noch einigermaßen nachvollziehen und zeigt 3 unterschiedliche Räume. Lichte Raumhöhe etwa 4 Meter

T301 : Blockwerkkammer.
In der südöstlichen Ecke lag eine Blockwerkkammer von etwa 5.5 x 5.5 Metern Grundfläche. Die Abdrücke der eingemauerten Holzbohlen sind an der Südwand und den Resten der Ostwand noch deutlich zu erkennen.
An der Südfassade findet sich eine 5-teilige Fenstergruppe, mit drei stark nach außen getrichterten Rundbogenöffnungen in der unteren und zwei weiteren in der oberen Ebene. Eine weitere einzelne Trichteröffnung ist an der Ostseite des Raumes zu sehen ( am besten vom Hof aus ) .
Die Breite des Raumes lässt sich durch die Ausmaße der Fenstergruppe und die Lage des Holzunterzuges definieren auf dem vermutlich die Nordseite der Blockwerkkammer auflag.

Fenstergruppe, links Lichtschlitz

Innenseite der Fenstergruppe

einzelnes Trichterfenster an der Ostseite des Wohnturms

T302 : Gang
Westlich neben der Blockwerkkammer lag ein schmaler Gang von etwa 1.5 Metern Breite und 5.5 Metern Länge. Da das Licht der Fenstergruppe nicht durch die Holzwände der Blockwerkkammer dringen konnte, wurde der Gang durch einem eigenen Lichtschlitz erhellt. Möglicherweise befand sich hier auch der Treppenaufgang vom 1.OG. Der Fußboden des 2.OG war eine Balkendecke die in NS-Richtung ( also über die Längsseite des Turmes ) gespannt war und auf einem Unterzug in der Raummitte auflag. Daher wäre es ohne großen Aufwand möglich eine Treppe entlang der Westseite zu bauen, die am Unterzug aufliegt.

Lichtschlitz im Gang neben der Stube. Lichtschlitz im Gang neben der Stube. Abdruck der Bohlenstube  an der Ostseite des Wohnturms

T303 : Wohnraum : Nördlich der Blockwerkkammer lag ein weiterer Raum von etwa 5,5 x 6.7 Metern. Davon ist an der Nordseite noch eine Seitenwand eines Sitznischenfensters erhalten, das nur 1.9 Meter neben der Wand ( also nicht mittig ) liegt. Das ließe - im Gegensatz zu Anordnung im darunterliegenden Geschoss - noch genug Raum für ein zweites gleichartiges Fenster.

T4: 3. Obergeschoss
im 3. OG springt die Mauerstärke erstmals stark ein, wodurch sich die Geschossfläche auf etwa 8x12 Meter vergrößert. Die Raumhöhe beträgt etwa 3.5 Meter. Im gesamten Geschoss ist am jetzigen Bestand keine einzige Maueröffnung mehr zu erkennen, weshalb man auch über die Nutzung keine Aussagen mehr machen kann. Eine mögliche Erklärung wäre der Einbau eines Sackdaches, d.h. die Höhe wurde für ein nach innen abfallendes Dach aufgebraucht, über dem dann eine ebene, aber nicht wasserdichte Wehrplattform lag . ( Eine solche Konstruktion kann man z.B. auf Burg Stauff OÖ. sehen)

T5 : 4.Obergeschoß .
Das 4. OG ist kaum mehr einsehbar. Eventuell war es kein volles Geschoß mehr sondern nur ein Zinnenkranz. Nur an der Südwestecke ist eine Türöffnung zu erkennen die - bündig mit der Westseite - nach außen führt.

Der Hof :

Der Hof verband den Wohnturm mit den Wohnbauten im östlichen Teil der Burg.

H1 : Erdgeschoß :
Der ursprünglich 11x 3 Meter große Raum wurde nachträglich durch den Einbau einer Trennwand in zwei ungleich große Räume unterteilt.
An der jetzt völlig verschwundenen Nordseite lag vermutlich das Haupttor zur Burg. Ungefähr in der Mitte des Hofes führte ein ebenerdiger Zugang zu den östlichen Wohnbauten. Das spitzbogige Tor mit dem Riegelbalken ist noch erhalten aber fast völlig verschüttet.
Wozu die Trennwand zwischen den beiden Hofräumen dient ist schwer zu verstehen. Jedenfalls entstand dadurch ein etwa 3,3 Meter großer Raum ohne jede Belichtung, und ohne offensichtlichen Zugang!!

Hof Südseite Lichtschlitz mit recycelter Holztreppe

H2 : Erstes Obergeschoss
An der Südseite ein Lichtschlitz. Darunter sind Reste der Balkendecke erhalten die den Raum H102 abdeckte. Etwa 80 cm darüber 4 eingemauerte Balkenköpfe die wahrscheinlich ein Treppenpodest bildeten. Daraus könnte man schließen, dass hier an der Südseite des Hofes eine abgewinkelte Treppe zum Wohnturm hinaufführte. Der Lichtschlitz wiederum deutet darauf hin das der Raum nicht im Freien lag, also belichtet werden musste. Als Fenstersturz wurden in sekundärer Nutzung die Seitenwangen einer Treppe vermauert.

H3 : 2.Obergeschoß.
Etwa auf Höhe der Blockwerkkammer führt eine Türe durch die Südwand der Burg. Bedeutung ungewiss ( Abtritt , Balkon ?) . Jedenfalls war diese Etage des südliche Hofbereiches sicher nicht mehr völlig überdacht, da ein Dach das einzelne Trichterfenster an der Ostseite des Wohnturmes verstellt hätte.
Während die gesamte Südfassade der Burg bis zum Fußbodenniveau des 2.Og in einem Zug gebaut wurde, ist im 2.OG eine deutliche Baufuge zwischen dem Wohnturm und dem Hof zu sehen. Wahrscheinlich wurde also ursprünglich der gesamte Wohnturm und die Wohngebäude bis zum 2.OG gebaut und wenig später ein weiteres Geschoss auf den östlichen Wohntrakt aufgesetzt.

Der  Wohnbau :

Erdgeschoss :
Raumhöhe nicht mehr feststellbar aber mindestens 340 cm. Vom Gelände her wäre ein Kellergeschoß durchaus denkbar, ist aber nicht mehr nachweisbar.

W103 : Eingangsbereich :
Der ursprünglich etwa 10x5 Meter große Raum lag direkt hinter dem versperrbaren Eingang zum Wohnbereich. Er wurde sekundär durch Einzug einer Trennwand in zwei Teile getrennt, die durch eine einfache Tür verbunden waren. Gegen den im Südosten anschließenden Raum war er nur durch einen breiten, nicht versperrbaren spitzbogigen Mauerbogen getrennt.
An der Südseite liegt ein einzelner Lichtschlitz knapp unter der Raumdecke ( Parapethöhe etwa 250 cm ) . Der Lichtschlitz liegt von außen gesehen fast 5 Meter hoch. Der Holzsturz der Fensternische ist herausgebrochen worden.
Auch an der verschwundenen Nordseite kann man kaum mehr als einen Lichtschlitz vermuten.

Eingangsbereich Wohnbau Innenseite des Eingangs vom Hof. Lichtschlitz im EG

W106 : Raum unter der Kapelle :
Der Raum liegt unterhalb der Burgkapelle und ist längsrechteckig mit etwa 3.5x 8 Metern. Die gesamte Ostseite und die Hälfte des Südseite fehlen. An der Südseite ist die Hälfte eines einzelnen Lichtschlitzes erhalten, ein zweiter ist zu vermuten aber nicht erhalten. Auffällig die primitive Ausführung des Fenstersturzes aus kaum bearbeiteten Rundhölzern.
Der Raum war durch großzügige, wahrscheinlich nicht versperrbare Spitzbogenöffnungen mit den benachbarten Räumen verbunden. Nutzung unbekannt, wahrscheinlich ein Lagerraum.

Spitzbogenöffnung zum Vorraum Spitzbogenöffnung an der Nordseite Rundhölzer im Sturz des Lichtschlitzes

W105:
von diesem Raum, dessen Größe sich noch mit etwa 5x5 Metern bestimmen lässt, fehlen drei Seiten. Nur die Wand mit dem spitzbogigen Durchgang nach W106 ist erhalten. Es scheint, dass hier ein großer, über die gesamte Raumbreite reichender Mauerbogen zu einer etwas kleineren spitzbogigen Tür vermauert wurde.

1.OBERGESCHOSS
Lichte Höhe etwa 4 Meter, durchwegs Balkendecken mit eingemauerten Balken
Fläche etwa 104 m2

W203 . Wohnraum.
Der Raum von 5,5x11 Meter hatte an der Südseite ein gut erhaltenes frühgotischen Biforenfenster in einer Sitznische, und direkt daneben einen Lichtschlitz. Von hier führt eine leicht spitzbogige aus Bruchsteinen gemauerte Tür in die Kapelle. Daneben ist an der Abrissstelle der Wand ein in der Mauer laufender Kamin mit rundem Querschnitt zu erkennen.
Über Öffnungen an der verschwunden Nordseite kann man nur spekulieren.

Bifore und Lichtschlitz Tür zur Kapelle Wohnbau, Überblick

W205 : Blockwerkkammer :
An der einzigen erhaltenen Seite des etwa 5.5x5.5 Meter großen Raumes sind noch deutlich Holzabdrücke zu sehen, die auf eine Blockwerkkammer hinweisen. Auch Abdrücke der überkämmten Eckverbindungen sind zu sehen.
Am Stumpf der Ostwand ist der bescheidene Rest eines Trichterfensters erhalten, so dass man an der Ostseite eine weitere Fenstergruppe unbekannten Aussehens vermuten darf.
Der Zugang kann nur von Raum 203 her erfolgt sein, eventuell durch eine hölzerne Trennwand. An dem Stumpf der Westwand ist eine glatte Kante und darüber ein in der Mauerstärke verlaufender Kamin zu erkennen.
Der  Fußboden lag auf 7 massiven Deckenbalken die durch die Südwand hindurch in die Kapelle und weiter an deren Außenseite verliefen.

Südwand mit Abdrücken der Bohlenstube Abdrücke der überkämmten Bohlen an der Ecke. Türe an der Nordwest- Ecke

Raum 206 : Kapelle :
Das o.a. Trichterfenster ist ein Beweis dafür, dass die - jetzt völlig verschwundene - Ostseite der Burg um etwa 3 Meter verspringt. Das lässt sich auch auf einer Ansicht von Josef Scheiger aus dem Jahr 1830 erkennen. Damals stand der Nordostecke der Kapelle noch, während die Südostseite bereits verfallen war. Scheiger konnte also ins Innere der Kapelle sehen und zeigt den Rest einer Rundapsis, die aber zur Gänze in der rechtwinkeligen Außenmauer lag.
Der Raum ist genau geostet und  an der Südseite hat sich noch die Hälfte eines rundbogigen Doppeltrichterfensters erhalten, was weiter auf eine Kapelle hinweist. Ein zweites Fenster lässt sich im eingestürzten Teil der Südwand vermuten. Die Kapelle war mit einem Riegelbalken von innen verschließbar. Die Wände sind verputzt.
Während im Rest der Burg schon viele frühgotische Elemente zu finden sind ( Mauerbögen, spitzbogige Biforenfenster etc. ) , ist die Kapelle mit den Rundbogenfenstern und der Rundapsis noch romanisch.

Blick von der Kapelle nach Westen Mauerwerk an der Aussenseite der Kaepelle Rest des Kapellenfensters Scheiger's Zeichnung von Waxenegg, rechts die Kapelle

2. ObergeschoSS
Lichte Höhe nicht mehr feststellbar, aber mindestens 350 cm. Balkendecken mit auf Mauerrücksprüngen aufliegenden Balken. Fläche etwa 122 m2

Raum 303 : Wohnraum
In Größe und Anordnung ident mit dem darunterliegenden Raum 203. Über das genaue Aussehen der beiden südlichen Fensteröffnung kann man nichts mehr sagen, da sie zu stark verfallen sind. Scheiger's Zeichnung zeigt eine Bifore.
Eine  Tür  führt in den über der Kapelle liegen den Raum.

Raum 305 : Wohnraum
Über den über der Blockwerkkammer liegenden Raum kann man nichts mehr sagen, außer dass er einen Zugang vom südlich angrenzenden Raum hatte und an der Ostseite eine Türe nach außen führte. ( Abtritt?, Erker ?)

Tür zum Raum über der Kapelle

Raum 306 : Wohnraum
Der über der Kapelle liegende Raum hat noch zwei erhaltene Türen von den angrenzenden Räumen 303 und 305. Die Südseite, an der weitere Fensteröffnungen zu vermuten sind, ist völlig verschwunden.

 

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