Der Hungerturm bei Waldstein :
Stmk / Bez. Graz-Umgebung / Deutschfeistritz
Südlich der Ruine Waldstein erstreckt sich eine weite Hochebene, die an ihrem äußersten Ende in eine felsige Erhebung übergeht. Dort liegt eine zweite, wesentlich kleinere Burg, vielleicht eine Vorburg, die der Hungerturm genannt wird.
In den weniger Quellen wird die Burg in das 12. teilweise sogar 11. Jahrhundert datiert. Diese frühen Erwähnungen dürften sich aber auf einen hölzernen Vorgängerbau beziehen, der Ausbau in Stein erfolgte wohl erst im später 13. oder frühen 14. Jahrhundert. Der Turm wurde in Bruchsteinmauerwerk errichtet, bei dem keinerlei Einzellagen mehr erkennbar sind. Alle 50-60 cm wurde eine ebene Abgleichslage eingefügt, deren Höhe genau mit der Stärke der aus Tuffstein gehauenen Eckquadern korrespondiert. All dies lässt auf eine Errichtung um bzw. kurz nach 1300 schließen.
Die Burg besteht aus einem annähernd quadratischen Wohnturm von etwa 10 Metern Seitenlänge, der frei in einer polygonalen Ringmauer steht.
Seine Nordseite ist 9.6 Meter, die drei anderen Seiten ca. 10.2 Meter lang. Die Mauerstärke beträgt im Kellergeschoß 230 cm und springt nach jedem Geschoß um ca. 30 cm zurück. Er ist ca. 15 Meter hoch erhalten und hat vier Stockwerke. Das Kellergeschoß weist, außer dem später aus einem Lichtschlitz erweiterten heutigen Eingang, nur eine Lichtscharte an der Nordseite auf. Es war ursprünglich nur durch eine Treppe vom Einstiegsgeschoss aus erreichbar und hatt wohl die Funktion eines Lagerraums.
Der ursprüngliche Hocheinstieg liegt auf der Ostseite im 1. Obergeschoss in ca. 5 Meter Höhe. Der Eingang ist mit einem schönen, leicht abgefasten gotischen Hausteingewände versehen (ein spitzbogiges Portal, von dem eine Hälfte fehlt ) und die Konsolen und der Falz für eine Klappbrücke ist deutlich zu erkennen. Diese wurde auf einen vor dem Tor stehenden Brückenpfeiler herabgelassen. Von dort führte wahrscheinlich ein Steg in rechtem Winkel zur nördlichen Ringmauer.
Das Einstiegsgeschoß war mit einem Kreuzrippengewölbe versehnen und eine Treppe in der Mauerstärke führte zu den oberen Stockwerken. Die Treppe lag an der wahrscheinlichen Feindseite, also im Norden. Über dem Gewölbe sind zusätzlich Balkenlöcher einer Balkendecke zu sehen. Jedoch sind am Gewölbe keinerlei Hinweise auf einen nachträglichen Einbau ( z.B. Baufugen in den Fensteröffnungen) zu erkennen. Das 1. Obergeschoss war nur durch einen hoch in der Westseite gelegenen Lichtschlitz belichtet, dürfte also kein Wohnraum im eigentlichen Sinne, sondern nur ein Durchganggeschoss gewesen sein.
Die eigentlichen Wohnräume lagen im 2. und 3. Obergeschoss mit jeweils etwa 70 m2 Wohnfläche und Fenstern an allen vier Seiten. Die beiden Wohngeschosse waren durch eine Holzbalkendecke getrennt, die Treppe lag nicht in der Mauerstärke, sondern führte wohl durch eine Auswechslung zwischen den Holzbalken der Decke. Die verpflichtenden Hinweise auf Bewohnbarkeit - Heizung und abtritt - sind nicht mehr zu erkennen, was aber wahrscheinlich dem Verfallsprozess und der schlechten Einsehbarkeit der oberen Geschosse geschuldet ist.
Die Ringmauer hat die Form eines leicht verzogenen Ovals, das aus geraden Mauerstücke gebildet wird. An ihrer NO-Seite liegt der Eingang, der durch eine hochklappbare Brücke geschützt war. Die Brücke war eine Wippbrücke: Dabei dreht sich die Brückenplatte um eine am Schwerpunkt ( Mittelpunkt ) angebrachte Achse. Die Ringmauer muss daher unterhalb der Brücke ausgenommen sein um die Drehbewegung der Brückenplatte zu ermöglichen. Das aus Stein geformte Drehgelenk ist noch erhalten.
Die nördliche Ringmauer wird außen von vier starken Stützpfeifer verstärkt. Diese sind nicht als nachträgliche Verstärkung der Mauer angebaut, sondern primär mit dem Mauerwerk der Ringmauer verzahnt.
In der ca. 100 bis 110 cm starken Ringmauer befinden sich insgesamt fünf nachträglich ausgebrochene Schlüsselscharten mit Prellhölzern für Feuerwaffen.
Nördlich des Turmes liegt ein einzelner, primärer Lichtschlitz mit waagrechtem Steinsturz und Hausteingewände.
Ein kurzes Mauerstück mit einem Tor zwischen der NO-Ecke des Turmes und der Ringmauern trennten den Hof in zwei Teile. Diese Mauer ist jetzt völlig verschwunden, nur Bruchstückes des Schulterbogenportals sind erhalten .
Darüber lag wahrscheinlich ein hölzernen Wehrgang zu dem vom Haupttor aus eine Treppe hinaufführte.
An der Südseite war der Turm durch einem massiven Mauerpfeiler gestützt. Dafür wurden zuerst zwei 30 cm starke Holzstämme gegen den Turm verkeilt, und diese dann mit Steinen ummauert. Heute sind nur noch der gemauerte Pfeiler und die Kanäle der längst vermorschten Holzstämme erhalten.
Das umliegende Gelände ist nicht besonders steil. Nur an der Nordwest-Ecke liegt ein steiler Felsen aus dem ein Halsgraben herausgeschnitten wurde .
ca. 40 Meter Nord-östlich des Hungerturmes lassen sich Abschnittsgräben und Hügeloval einer verschwundenen Holzburg feststellen. Wahrscheinlich die ursprüngliche Burg, die durch den gemauerten Hungerturm ersetzt wurde.
Der Zutritt zur Burgruine ist derzeit wegen Einsturzgefahr gesperrt.