Rabenstein-Virgen
Osttirol / Bez. Matrei / Gem. Virgen
Die Burg Rabenstein-Virgen ist eine der höchstgelegensten Burgenanlagen Österreich: Sie liegt in etwa 1420 Meter Höhe auf einer steilen Kuppe nördlich des Ortes Virgen in Osttirol.
Der Grundriss wirkt sehr regelmäßig, weil er die Geländeverhältnisse nur schwer darstellen kann. Erst vor Ort sieht man wie die Burganlage dem steilen Gelände angepaßt wurde: Die Gesamtfläche von etwa 1.800 m2 verteilt sich auf einem Gelände, das auf einer Länge von 45 Metern zwischen dem Burgtor und dem Bergfried um 25 Meter ansteigt.
Der Bergfried steht auf der höchsten Stelle der Kuppe, 25 Meter über dem Torbereich. Die letzten Meter das Anstiegs zum Bergfried sind heute besonders steil, weil hier der Schutt der Innenecke des Bergfrieds liegt, der 1961 nach einem Blitzschlag eingestürzt ist. Sein Hocheinstieg lag, wie man auf alten Fotos sehen kann, an der Hofseite, knapp neben der östlichen Ringmauer.
Über dem Einstiegsgeschoss war noch ein einzelner Lichtschlitz mittig zu sehen, im 2. Obergeschoss zwei Lichtschlitze pro Seite. Der für einen Bergfried auffallend schwach dimensionierte Turm zeigt kleinteiliges, aber lagiges Mauerwerk aus Roll- und Bruchsteinen, mit vereinzelten Einschüben von opus spicatum. Das würde man um 1200 datieren, aber Tirol ist anders: Die dendrochronologische Beprobung der reichlich erhaltenen Holzbalken ergab ein Fälldatum von 1300. (1)
Die Ringmauern sind mit Baufuge an den Bergfried angestellt und ziehen in Verlängerung der Bergfriedseiten dem Gelände folgend talwärts. Sie umschließen so einen beinahe rechteckigen Hof, der allerdings ein extrem starkes Gefälle aufweist. Das Mauerwerk wurde scheinbar immer wieder ergänzt, überarbeitet und verputzt. Nur so ist die im Tiroler Burgenbuch veröffentlichte Datierung erklärbar, bei der eine darin vermauerte Klobrille mit 1203/04 datiert wird, das Mauerwerk aber mit "um 1300".
Nur an der Ostseite hat sich ein Stück der Ringmauer in seine ursprünglichen Form erhalten.
Ein weiters Mauerstück an der südlichen Ringmauer bildet eine Ecke aus, die wahrscheinlich zum romaischen Palas gehört hat, der heute fast zur Gänze verfallen ist. Rechts davon lag ein langgestrecktes Gebäude, das an Hand von geringen Freskenresten als Burgkapelle beschrieben wird.
Etwa in der Mitte der westlichen RIngmauer hat sich eine komplette Abtrittanlage erhalten: Die "Klobrille" liegt unerreichbar hoch, konnte aber im Rahmen einer Bauforschung auf 1203/04 dendrodatiert werden.(1) Für Österreich ungewöhnlich liegt der Abtritt nicht in einem auskragenden Erker, sondern in einer Wandnische in der Ringmauer. Das Fallrohr führt in der Mauerstärke nach unten und endet in einer schrägen, mit einem Holzbrett verkleideten Wandschlitz. Ebenso ungewöhnlich ist die Lage, denn der Abtritt war nicht in einem Gebäude untergebracht, sondern wurde vom Bergfried oder vom Pfaffenstöckl aus über den Wehrgang erreicht. Also Klo am Gang.
Der größte erhaltene Gebäudeteil auf Rabenstein ist ein mehrfach geknicktes Gebäude mit unterschiedlichen Bauphasen, das an die östlich Ringmauer angebaut war.
Der jüngste Bauteil dieses Osttraktes ist im Süden, ganz unten und füllte die Baulücke zwischen der Nordwand der Kapelle und der Schmalseite einem älteren Bauteil im Norden. Das Erdgeschoß ruht hofseitig auf zwei Bögen, einem breiten Rundbogen und einem schmäleren Spitzbogen. Der große Rundbogen existiert auf Fotos um 1940 (Bildarchiv Foto Marburg, www.fotomarburg.de ) nur noch in geringen Resten, an seiner Stelle eine klaffende Lücke. Es handelt sich dabei wohl um eine Art Torhalle, mit dem Burgtor im Osten und den beiden Bögen im Westen als Zugang zum Burghof.
Darüber lagen mindestens drei Wohngeschoße mit spätgotischen Rechteckfenstern.
Im 2. Obergeschoß ist - vom Hof aus gesehen - rechts der Rest eines Erkers zu sehen.
Nördlich an die Torhalle anschließend liegt ein älterer Trakt, wie an der Eckquaderung erkennbar ist.
Das Gelände ist hier, wahrscheinlich durch Schutt, stark verändert. Im Gebäude ist das Gelände fast flach, steigt gegen Norden nur leicht an. An der Hofseite dagegen steigt das Gelände über die Länge des Gebäudes um fast 4 Meter. So liegt die Tür im 1. Obergeschoß vom Hof gesehen ebenerdig, vom Gebäudeinneren dagegen im 1. Obergeschoß.
Auf einer Länge von über 20 Metern hat das Gebäude nur eine einzige Öffnung zum Hof: Über einem fensterlosen Erdgeschoß liegt im 1.Obergeschoß etwa mittig eine breite Tür zum Hof.
Diese beiden Stockwerke stammen noch aus der ersten Bauphase, eine Dendrodatum für einen Holzbalken ergab ein Fälldatum von 1272. Das darüberliegende 2.Obergeschoß wurde zusammen mit der Torhalle aufgestockt. Die teilweise gequaderte Baufuge des Erstbaus endet ca. 100 cm über der FOK des 2. Obergeschoßes.
Im neu aufgestockten 2. Obergeschoß ist durch die in der Hofwand eingemauerten Kanthölzer eine getäfelte Stube nachweisbar. Das außen rundum breit abgefaste Rechteckfenster war mit in der Wand versenkten Schiebeläden ausgestattet.
Etwa in der Mitte weist das Gebäude einen leichten Knick auf. Nördlich des Mauerknicks verläuft das Gebäude 3-geschoßig ohne eine einzige Maueröffnung bis zur Ringmauer. An der Hofseite liegt das Niveau hier deutlich höher, weil ein Fundament eines Gebäudes vorgestellt ist, vom dem nur ein waagrechter, großteils rezenter Stumpf erhalten ist.
Die letzten Meter bis zur Ringmauer stammen aus einem undatierbaren Wiederaufbau oder Umbau. Kurz vor der Ringmauer, an die das Gebäude mit deutlicher Baufuge angestellt ist, ist der Rest eines Bogens erhalten, den ich bei meinem Besuch spontan als Rest eines Mantelkamins gesehen habe. Anscheinend endete das romanische Gebäude in einem rechten Winkel, in dessen Innenecke der Mantelkamin lag. Das ließe zur Ringmauer einen unverbauten dreieckigen Mauerzwickel. Später wurde die Schmalseite abgebrochen, die Hofseite bis zur Ringmauer verlängert und dadurch der Zwickel dem Gebäude zugeschlagen.
Etwa 40 Meter vor der Burg stehen die Reste eines freistehenden Wohnturmes, der als Wohnturm des Burgverwalters angesehen wird. Diese vor der eigentlichen Hochburg stehenden "Burggrafentürme" findet man auch in Tirol immer wieder, z.B. in Heinfels, St. Petersberg oder Kropfsberg.
Auch dieser Turm ist zur Hälfte eingestürzt, wodurch mehrere Maueranker freigelegt wurden, deren Eckverbindungen noch erstaunlich gut erhalten sind: Die eingemauerten Holzbalken wurden an ihren Enden überkämmt und mit einem Holznagel fixiert.
Das sogenannte Pfaffenstöckl ist ein 3-stöckiger Anbau von etwa 7,50 x 4.80 Metern, der in den Zwickel zwischen nordseitige Ringmauer und dem heute völlig verschwundenem talseitigen Palas eingestellt wurde. Der Zugang erfolgt durch eine rechteckige Türe im Erdgeschoß. Das 1.Obergeschoß war auf allen 4 Seiten mit vollflächigen Fresken ausgestattet. (Siehe dazu den Artikel über die Wandmalereien im Pfaffenstöckl) .
Das Gebäude wurde in den 1980er Jahren massiv saniert und teilweise wiederaufgebaut. Das Foto aus dem Bildarchiv Marburg aus dem Jahr 1942 zeigt, dass die gesamte südliche Hälfte des Gebäudes damals nicht mehr existierte. Das nördliche Fenster im 1. Obergeschoß wurde kostengünstig, aber nicht originalgetreut saniert: Es hatte ursprünglich ein Hausteingewände, das 1942 schon entfernt war. Das heutige Rechteckfenster mit geradem Sturz und gemauerten Kanten ist eine schlechte Erfindung der 1980er Jahre. Das linke (südliche) Fenster ist komplett frei erfunden, die hofseitige Mauerkrone wurde um fast zwei Meter abgetragen.
Die gesamte Südwand, die mit ihrer ausgefransten Kante wie ein ruinöser, aber originaler Bauteil aussieht, stammt ebenfalls zur Gänze aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhundert, als sie auf dem Fundament des romanischen Palas wiederaufgemauert wurde.
Der Innenraum ist leicht verzogen rechteckig (353/350 tief und 529/557 cm breit) und damit knapp 20 m2 groß.
Die Treppe beginnt nur etwa 70 cm von der rechten Wand entfernt und führt im Winkel von 45 Grad auf einen über die Schmalseite des Turmes gespannten Unterzug, der 220 cm vom linken Ende – also nicht mittig – liegt.
Im 2. Obergeschoß springt die Mauerstärke um etwa 50 cm ein, jedoch nur in einem Bereich von 220 cm links und rechts des die Blocktreppe tragenden Unterzugs. Da dieser nicht in der Raummitte liegt, bleibt die Mauerstärke rechts auf einer Länge von 135 cm unverändert. Etwa in der Mitte des durch den Mauerrücksprung definierten Bereichs liegt ein Lichtschlitz, dessen Nische mit Steinplatten horizontal gedeckt ist. Sein (von innen gesehen) rechtes unteres Ende zeigt das halbrund einer Schlüsselscharte, während die linke Seite rezent verändert ist.
In die Gebäudeecke verschobene Rücksprünge in der Mauerstärke sind ein Hinweis auf den Einbau einer hölzernen Stube, die in dieser Lage auch durchaus Sinn machen würde. Die Ecklage würde an der Nordseite noch Platz für einen schmalen Gang lassen. Von dort kann man sich auch eine Türe vorstellen, die auf den Wehrgang an der westlichen, zum Bergfried führenden Ringmauer führt. Über diesen Laufgang wäre dann auch der etwa in der Mitte der Ringmauer angebrachte Abtritt erreichbar gewesen.
TTB- IX.Band - Pustertal, 517 ff