
Hohensalzburg unter "unbekannte Burgen"
zu reihen mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Gibt es doch kaum einen
Bildband über Österreich ohne ein Foto von Hohensalzburg. Darf doch kein
japanischer Tourist das Land verlassen ohne die Festung besichtigt zu haben.
Weiters werden die Salzburger sagen : "das heißt Festung und nicht
Burg!"
Aber genau da liegt das Problem: Lange bezogen sich sämtliche Beschreibungen
von Hohensalzburg auf den Ausbau der Burg zur Festung ab dem Ende
des 15.Jhd. Dieser Teil der Baugeschichte von Hohensalzburg scheint auch durch
Urkunden so gut dokumentiert zu sein, daß man einzelnen Bauwerken genaue
Erbauungsjahre zuordnen kann.
Völlig anders war die Lage was die
hochmittelalterliche Burg betrifft. Alle Beschreibungen gingen ohne
genaue Angabe von Gründen davon aus, daß der Burgkern im 11.Jhd errichtet
wurde, und springen von dort direkt zu den Ausbauten des 15/16.Jhd. Dazwischen muß aber auch noch etwas gewesen sein.
Die Erforschung des mittelalterlichen Baues wurde
dadurch erschwert, daß die Burg bis zum heutigen Tage genutzt, und daher
völlig verputzt ist. Unter den Putzschichten verbergen sich sämtliche
Baufugen, Materialwechsel, Vermauerungen etc. aus denen man eine Baugeschichte
ableiten könnte. Erst in den letzten Jahren wurden an einigen Stellen der Putz
durch steinsichtige Verschlemmung ersetzt, und Bauteile des Hochmittelalters
freigelegt, die zumindest einen teilweisen Einblick in das Aussehen der Burg des
12.Jhd. erlauben.
Mein Skizze basiert auf dem Plan von Prof.Klaar,
der das "alte Schloss" der Festung Hohensalzburg in den 60er Jahren
vermessen hat, ergänzt um die Befunde die erst seit kurzem zu erkennen sind.
Im Jahre 2007 erschien das Buch "Die Festung
Hohensalzburg : Der Führer zu Geschichte und Architektur" von Patrick
Schicht, in dem der Autor die Ergebnisse seiner Dissertation zum Thema
Burgen der Salzburger Erzbischöfe zusammenfasst.
Das im Phoibos Verlag erschienene Buch ( ISBN 978-3-901232-88-6) kann nur
wärmstens empfohlen werden.
Der
Hohe Stock
Der hochmittelalterliche Kern
( in der Skizze orange dargestellt ) von Hohensalzburg
ist im sogenannten "Hohen Stock " verbaut. Dieser erscheint heute als
ein kubischer Baukörper, der an der Nordseite des großen Burghofes steht. Im
12.Jhd war das Gelände noch wesentlich weniger verbaut als heute und man kann
sich den Bereich des heute völlig flachen Burghofs als ein steilen,
verklüfteten Felsen vorstellen. Teile dieses
Felsens finden sich heute noch bei der Treppe zum Hohen Stock. Von außen ist
die Burg des 12.Jhd nur noch an der Ost- und Westseite des hohen Stocks zu
sehen, alle anderen Seiten sind durch spätere Zubauten verstellt.
Auf dem Felsen wurden im 12.Jhd zwei
Gebäude errichtet:
Eines war ein längsrechteckiger
Saalbau von etwa
18x10 Metern, mit mindestens 2 Stockwerken und einem Felsenkeller. Der Saal war
genau nach Ost/West ausgerichtet und nimmt heute die NO-Ecke des Hohen Stocks
ein. Der Eingang erfolgte an der Nordseite im 1.OG. Die vermauerte Rundbogentüre
ist noch auf halber Höhe der Treppe zum Hohen Stock zu sehen. Der Raumeindruck
des Saals ist heute durch den Einbau einer Quermauer völlig verändert. Ursprünglich
reichte der Saalbau bis über die Säulenreihe der heutigen Mittelhalle hinaus.
An der NO-Ecke befand sich eine romanische Türe, die wahrscheinlich zu einer
Treppe führte. Der Felsenkeller ist heute von außen zu erreichen und wird als
Souvenirshop genutzt.
Im
2.OG befand sich ein repräsentativer Saal von
etwa 15x8 Metern Innenmaß, mit einer Ausstattung die in Österreich ohne
Vergleich ist: An den beiden Längsseiten befanden sich jeweils ein 6-teiliges
gekuppeltes Rundbogenfenster. Eines davon wurde in letzter Zeit freigelegt und
ist im Reinermuseum zu besichtigen. Die Rundbögen waren gemauert und verputzt
und mit bunten, geometrischen Mustern bemalt. Fünf achteckige Säulchen
mit mit einfachen Kapitellen waren in die Rundbögen eingestellt.
An der östlichen Schmalseite konnten
weiters zwei Triforen festgestellt werden, die heute aber wieder völlig
vermauert sind. Die westliche Schmalseite ging bei spätmittelalterlichen
Umbauten völlig verloren, die Gebäudeecke wurde aber durch ein Putzfenster
genau bestimmt.
An der westlichen Schmalseite des Saalbaues war
im rechten Winkel ein weiteres längliches Gebäude angebaut, wahrscheinlich der
Wohntrakt. Dieser ragte im Süden etwa 8 Meter über die Längsseite des
Saalbaues hinaus. Wie weit der Bau nach Norden in Richtung der Stadt reichte,
läßt sich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls muß das Gebäude etwa 12 Meter
breit und zwischen 15 und 20 Metern lang gewesen sein, und es sind noch große
Teile der West- und Südmauer erhalten.
Während die Ostseite auch heute noch die
Aussenseite des Gebäudes bildet, wurde der Rest um 1485 durch Umbauten völlig
verändert ( in der Skizze hellblau dargestellt) . Damals wurde die L-förmige mittelalterliche Burg zu einem
rechteckigen Gebäude mit Mittelhalle umgebaut, indem der Gebäudezwickel
zwischen Saalbau und Wohnbau geschlossen und eine gerade Südfassade errichtet
wurde. ( Das Foto zeigt die ehemalige Südseite des romanischen Saalbaues von
innen, mit dem spätgotischen Zubau im Hintergrund.) Dabei wurde nicht die Gebäudeflucht des Wohntraktes verlängert, sondern
eine neue Wand etwa 1 Meter vor die Südseite des Wohntraktes gesetzt. In dem
daraus resultierenden schmalen Gang wurde der Abtritt untergebracht. Die
Westseite des Saalbaues und die Ostseite des Wohntraktes wurden abgerissen, und
eine etwa 8 Meter breite Mittelhalle und das Treppenhaus eingefügt.
Das 6-fache Rundbogenfenster lag nun in einer
Innenmauer, und war daher nutzlos geworden. Es wurde vermauert, und durch das
Ausbrechen einer Türe stark beschädigt. Auch diese Tür wurde später
zugemauert, und in der Neuzeit eine Rechtecktüre durchgebrochen, ohne daß
dabei das romanische Fenster aufgefallen wäre.
Die
Ringmauer
Weitere romanische Bauteile kann man von der
Keunburgbastei aus sehen, wenn es gelingt sich vom Ausblick auf die Stadt los zu
reissen und in Richtung Burg zu schauen. Dann erkennt man die Reste der aus Quadern gemauerten alten Ringmauer und mehrere vermauerte Rechtecköffungen,
wahrscheinlich die ehemalige Zinnenreihe. Der Verlauf der stadtseitigen
Ringmauer ist noch von der Kuenburgbastei bis zum Glockenturm erkennbar.
Die Wohnbauten der hochmittelalterlichen Burg
standen also frei, etwa 10 Meter innerhalb der Ringmauer. Der daraus
resultierende stadtseitige Hof ( oder nur Zwinger?) wurde erst um 1500 mit dem Fürstentrakt verbaut, dessen
Talseite auf die Ringmauer gestellt wurde.
Im Erdgeschoß des Stockhauses wurden die Reste der mittelalterlichen
Burgkapelle ( ca. 1130 ) ergraben. Diese war an die Ringmauer angebaut, hatte
eine Westempore und wahrscheinlich eine Rundapsis.
Die Abbildung der Burg aus der Schedel'schen
Weltchronik ( ca. 1465 ) zeigt diesen Baubestand recht genau: Deutlich sind
zwei aneinander gestellte Gebäude zu sehen, die in einigem Abstand von
der Ringmauer stehen und diese bei weitem überragen. Von den beiden Ecken des Wohntraktes laufen kurze
abgetreppte Mauerstücke zur Ringmauer, die einen kleinen Hof einschließen.
Darin steht ein kleines Gebäude, weitere Gebäude sind an die Ringmauer
angestellt. Eines davon muß die Kapelle sein. An der NO Ecke des Wohntraktes
ist der runde Überfangbogen einer Fenstergruppe zu sehen, an der Westfassade
ein Abtritterker.
Eine weitere Ansicht
von 1553 zeigt die Burg nach der Errichtung des Fürstentraktes. Die
stadtseitige Fassade hat schon ihre heutige Form, nur der alte Wohntrakt
dahinter zeigt noch das steile gotische Walmdach, das erst Mitte des 17.Jh
unter Paris Lodron durch das wesentlich weniger dominante, dafür
wartungsfreundlichere Grabendach ersetzt wurde.
Die Ringmauer ist fast bis auf Traufhöhe aufgestockt. Auch die Georgskapelle (
1501 ) ist zu sehen.
Heute ist der mittelalterliche Bau zur Gänze hinter dem Fürstentrakt
versteckt, und von der Stadt aus nicht mehr zu sehen.
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1465
Schedel'sche Weltchronik |
Ansicht
von 1553 |
heute |
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