Wien Griechengasse
Wien / 1.Bezirk Innere Stadt / Griechengasse

Die Stadt Wien ist nicht gerade reich an mittelalterlichen Profanbauten und der größte Teil davon ist öffentlich kaum zugänglich ( Bäckerstrasse , Heiligenkreuzerhof ).

Wien Innenstadt zwischen Stephansdom (rot) und Griechengasse (orange) und Detail der Penthouselandschaft am Fleischmarkt und der Griechengasse(orange). ( Quelle: Google-Earth)

Eine der wenigen Ausnahmen ist die Südseite der Griechengasse im Ersten Bezirk. Die Griechengasse ist eine Quergasse der Rotenturmstrasse die vom Stephansplatz leicht abfallend zum Schwedenplatz und damit zum Donaukanal führt. Die Hausfassade ist die Rückseite eine Gebäudekomplexes der heute nach dessen Vorderseite am Fleischmarkt benannt ist und durch die am Dach befindlichen, wohlfeilen  Penthäuser eines Gewerkschaftsbosses und des Direktor einer Arbeiterbank berühmt geworden ist.
Während die Fotos der hellgrünen Penthouse-Landschaft durch alle Zeitungen gegangen sind, ist die einzige gotische Hausfassade Wiens nach wie vor ein Geheimtipp für Wienbesucher.
 

An der Südseite der Griechengasse hat sich auf einer Länge von etwa 50 Metern eine aus fünf Häusern bestehende Straßenfassade erhalten, die im 13. und 14. Jahrhundert errichtet wurde. Zwar wurde sie immer wieder durch Umbauten verändert, jedoch sind sowohl Gesamtstruktur als auch Details des mittelalterlichen Straßenzugs noch in einem für Wien einzigartigen Ausmaß erhalten geblieben.

Fassadenabwicklung der Griechengasse: meine Skizze ist kein vermessener Plan, sondern nur eine Skizze ohne Maßstab, die nur die wesentlichsten Bauteile und ihren Zusammenhang darstellen soll.
Die Gebäudenummern im Text von rechts nach links.

 

Gebäude 1:
Fenster mit Dreipass
Gebäude 2:
gotisches Fenster
Griechengasse gegen Westen

Gebäude 1 : Die Westecke des Gasse wird von einem gotischen Wohnturm aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts eingenommen. Er ist  noch in Höhe von 4 ( heutigen ) Geschossen erkennbar, das 5 Geschoss wurde erst im 17.Jh. aufgesetzt. Als einzige primäre Fensteröffnung hat sich ein schmales, heute vermauertes Fenster mit Dreipass erhalten. Der Wohnturm stand ursprünglich frei, wie man an der beidseitig erhaltenen Eckquaderung erkennen kann.

Gebäude 2, war ursprünglich nur 2 Stockwerke hoch, hatte keine Eckquaderung und wurde daher wahrscheinlich nachträglich in die Baulücke zwischen dem Wohnturm ( 1 ) und dem Gebäude ( 3 ) eingestellt. Neben dem großteils freiliegenden Mauerwerk ist im 1.OG das Fragment eines gotischen, spitzbogigen Fensters mit rot-weißer Fugenmalerie erhalten.

entzerrte Ansicht von Gebäude 3

Gebäude (3) ist ein dreiachsiger, gotischer Wohnbau dessen repräsentative Fassade noch fast zur Gänze rekonstruierbar ist.

Gebäude 3:
Fenstergruppe
Gebäude 3:
Kreuzstockfenster
Gebäude 3:
Verzierungen an den Ecken der Blendnische
Gebäude 3: Trichterfenster im EG

Das Gebäude selbst dürfte ebenfalls aus dem späten 13. Jh. , die Fensteröffnungen im 1.OG aus Umbauten des 14. und 15. Jh. stammen. Im EG ist in der Gebäudemitte ein rundbogiges Trichterfenster aus der Errichtungszeit erhalten, links daneben zwei stark nach oben getrichterte, rechteckige Kellerfenster. Das 1.OG wird geprägt von einer repräsentativen Fenstergruppe, von der nur die doppelt abgestufte Blendnische erhalten ist, während die darin liegenden Fenster vermauert bzw. durch rezente Rechteckfenster zerstört wurden. Der treppenförmig nach oben ansteigende Abschluss der Blendnische ist an den Ecken mit aufgeputzten Lilien und Blumen verziert. Rechts neben der Fenstergruppe liegen zwei steinerne Kreuzstockfenster, deren gelbe Steingewände mit weißen Putzfaschen eingefasst werden. Die Breite und ursprüngliche Höhe der Fassade ist an der fast durchgehend erhaltenen, gelben Eckquaderung noch gut erkennbar.

Gebäude 5 :
abgebrochener Erker
Gebäude 4 und 5 gegen Osten:
Fahrtor.

Gebäude 4:
Spionfenster des Erkers

Gebäude (4 ) ist ein schmaler Bauteil zwischen den Gebäuden
( 3 ) und ( 5 ) : Im Erdgeschoss ist das spätmittelalterliche Fahrtor erhalten, darüber Spuren eines abgebrochenen Erkers. Deutlich sind die vermauerte Öffnung und die beiden ehemaligen Spionfenster zu erkennen.

 

 

 

Gebäude (5) schließlich ist ein über 20 Meter breiter Bau , der im frühen 14. Jahrhundert errichtet und danach mehrfach massiv umgebaut wurde. Auch hier ist im ehemaligen Kellergeschoß eines der zeittypischen stark nach oben getrichterten Kellerfenster zu sehen. Der markanteste Teil ist eine Fenstergruppe im 1.OG die in einer breiten, aus drei Bögen bestehenden Blendnische liegt. Die Bögen liegen auf zwei Konsolen auf. Die Fenster innerhalb der Blendbögen wurden an Hand von geringen Befunden rekonstruiert und bestehen aus drei Rundfenstern in einer oberen und vier stichbogig geschlossenen Rechteckfenstern in einer unteren Ebene.

entzerrte Ansicht der Fenstergruppe von Gebäude 5

 
Gebäude 5 :
Fenstergruppe
Gebäude 5 :
Kellerfenster
Gebäude 5:
zweilichtiges Fenster
Gebäude 5 : Bauinschrift von 1611

Im darüber liegenden Stockwerk haben sich die Reste von 4 Rechteckfenstern mit steinernem Mittelpfosten erhalten. Diese wurden bei einem – über eine Bauinschrift datierbaren – Umbau von 1611 vermauert und durch kleinere Rechteckfenster ersetzt. Damals wurde Gebäude (1 ) und (2 ) zu einer Einheit zusammengefasst, die auch heute noch durch die rote Eckquaderung erkennbar ist.

Weitere mittelalterliche Bauten finden sich am Ostende der Griechengasse, wo im Hinterhof des "Griechenbeisls" ein gotischer Wohnturm erhalten ist.

Wegbeschreibung: Vom Stephansplatz nach Norden in die Rothenturmgasse, nach etwa 200 Metern rechts ab in die Griechengasse.
 

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